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Sind nette Menschen wirklich nett? Wie erkenne ich, dass jemand nur nett ist, weil er oder sie etwas will?

Veröffentlicht am
21.10.2023
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Die zwei Seiten von Nettigkeit

Nettigkeit ist die Fähigkeit, freundlich, respektvoll und hilfsbereit gegenüber anderen Menschen zu sein. Es beinhaltet das Zeigen von Wohlwollen und Höflichkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Allerdings kann "Nettigkeit" auch problematisch sein, wenn sie in übertriebenem Masse oder aus falschen Motiven heraus praktiziert wird. Wenn jemand übermässig nett ist, um sich selbst zu schützen oder zu manipulieren, kann dies als unaufrichtig oder manipulativ wahrgenommen werden. In solchen Fällen kann Nettigkeit dazu dienen, Konflikte zu vermeiden oder die eigenen wahren Absichten zu verschleiern, was letztendlich zu Misstrauen und Unklarheiten in Beziehungen führen kann.
Dann hat Nettigkeit nichts mehr mit seiner eigentlichen Bedeutung zu tun, dann ist es falsche Freundlichkeit, Feigheit oder schlichtweg Manipulation.

Die Schlüsselkomponente liegt darin, dass Nettigkeit authentisch sein sollte, aus einem ehrlichen Wunsch heraus, anderen zu helfen oder sie positiv zu unterstützen. Wenn Nettigkeit auf dieser Grundlage praktiziert wird, kann sie zu gesunden und erfüllenden zwischenmenschlichen Beziehungen führen.

Nett-sein kann sogar ungesund sein

Wie oft hast du schon erlebt, dass jemand nett erscheint, aber in Wirklichkeit genervt ist? Vielleicht eine freundliche, aber ungeduldige Flugbegleiterin, ein müder Verkäufer, der dennoch lächelt, oder ein Partner, der plötzlich übermässig nett ist, obwohl du spürst, dass es nicht echt ist? Was bedeutet Nettigkeit für dich? Ist sie ein Segen oder ein Fluch? Und gibt es Momente, in denen du dich nett verhältst, obwohl du es eigentlich nicht möchtest?

Ich selbst war einst ein überaus netter Schüler, bis ich merkte, dass meine Nettigkeit keine Vorteile mehr brachte. Dann änderte ich mich drastisch, was letztendlich zu meinem Schulabbruch führte. Später wurde ich wieder freundlich zu jedem, weil ich meine wahre Identität (schwul-sein) verstecken wollte. Diese "Nettigkeit" nutzte ich aus, um weniger angreifbar zu sein.

Wir alle haben von Geschichten gehört, in denen vermeintlich freundliche Menschen schreckliche Dinge taten oder nette Kollegen hinter unserem Rücken schlecht über uns sprachen. Nettigkeit kann toxisch sein. Deshalb verwirrt mich der Slogan der SP Schweiz: "Nett und stolz darauf?"

Ist Nettigkeit also mehr als nur eine wichtige soziale Eigenschaft? Kann sie auch als eine Art Waffe dienen? Leider ja. Hier sind einige Beispiele, wie Nettigkeit als Taktik genutzt werden kann:

  1. Schuldgefühle erzeugen: Menschen können bewusst übertrieben nett sein, um anderen Schuldgefühle einzureden. Sie setzen die andere Person so unter Druck, dass es schwerfällt, Nein zu sagen oder sich zurückzuziehen.
  2. Manipulation von Beziehungen: Nettigkeit kann genutzt werden, um sich in das Leben anderer Menschen einzuschleichen. Vorgebliche Freundschaft oder Unterstützung können später für eigene Zwecke ausgenutzt werden.
  3. Machtausübung: Übertriebene Nettigkeit kann genutzt werden, um Macht oder Autorität zu gewinnen. Andere könnten sich in ihrer Gegenwart zurückhalten, aus Angst, die vermeintliche Freundlichkeit zu verlieren.
  4. Ablenkung von wahren Absichten: Nettigkeit kann als Ablenkung verwendet werden, um die wahren Beweggründe zu verschleiern.
  5. Vertrauen gewinnen: Personen könnten überschwänglich nett auftreten, um das Vertrauen anderer zu gewinnen und später Forderungen zu stellen oder Vorteile zu erlangen.
  6. Konfliktvermeidung: Übermässige Nettigkeit kann genutzt werden, um Konfrontationen zu vermeiden, obwohl Meinungsverschiedenheiten oder Probleme bestehen.
  7. Rufaufbau: Jemand könnte bewusst ein Image der Nettigkeit aufbauen, um einen positiven Ruf zu erhalten und andere bereitwillig kooperieren zu lassen.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jede Nettigkeit manipulativ ist. Viele Menschen sind von Natur aus freundlich und aufrichtig. Dennoch ist es ratsam, in zwischenmenschlichen Beziehungen aufmerksam zu sein und nicht blind auf äussere Erscheinungen zu vertrauen. Es ist sinnvoll, Verhalten und Absichten genauer zu analysieren, um zu erkennen, ob Nettigkeit möglicherweise als Tarnung für andere Zwecke genutzt wird.

Die äussere Nettigkeit oder: die falsche Freundlichkeit

Es ist grossartig, wenn Menschen freundlich sind. Doch nicht alle, die nett erscheinen, haben gute Absichten. Manchmal verbergen sich hinter dieser Fassade Dinge, die nicht sofort erkennbar sind. Dies kann dazu führen, dass wir uns sicher fühlen, obwohl Warnsignale vorhanden sind. Wie oft hört man: "Aber er/sie war doch so nett?"

Nett zu sein ist positiv, aber manche Menschen nutzen dies aus. Sie wissen, wie sie Freundlichkeit für ihre eigenen Ziele ausnutzen können. Beispielsweise könnten vermeintlich nette Menschen vorgeben zu helfen, während sie in Wirklichkeit andere Absichten hegen.

Die Gefahr des Übersehens

Wir neigen dazu, freundliche Menschen als ungefährlich einzustufen. Dadurch könnten wir schädliches Verhalten übersehen oder verharmlosen. Dies erschwert das rechtzeitige Erkennen möglicher Gefahren oder angemessene Reaktionen.

Freundlichkeit und Narzissmus

Manche scheinbar netten Menschen wollen Bewunderung erlangen, doch hinter ihrer Freundlichkeit verbirgt sich oft ein grosses Ego und der Wunsch, Kontrolle über andere zu haben. "Love Bombing" ist eine manipulative Taktik, die oft von Narzissten genutzt wird. Dabei zeigen sie anfangs überwältigende Liebe und Aufmerksamkeit, um emotionale Abhängigkeit zu erzeugen.

Passive Aggressivität

Manchmal spürt man, dass etwas nicht stimmt, obwohl die Worte nett klingen. Das nennt man versteckte oder passive Aggressivität. Diese kann sich hinter scheinbar freundlichen Gesten und Worten verbergen.

  • Indirekte Kritik: Die Person könnte abfällige Kommentare machen oder Fragen stellen, die eigentlich Kritik verstecken.
  • Zustimmung mit einem Haken: Sie könnten zustimmen, aber ihre Körpersprache oder Stimme zeigen, dass sie eigentlich nicht einverstanden sind.
  • Verzögerte Reaktion: Wenn sie spät oder unvollständig auf Anfragen reagieren, könnte das ein Zeichen sein.
  • Aufschieben: Sie könnten Aufgaben absichtlich verschieben, um Ärger auszudrücken.
  • Unklare Kommunikation: Verwirrende oder vage Worte könnten verwendet werden, um Missverständnisse zu schaffen.
  • "Vergessen" von Versprechen: Sie könnten so tun, als hätten sie vergessen, etwas zu tun, um dich zu ärgern.
  • Ignorieren: Sie könnten dich einfach ignorieren, um ihre Unzufriedenheit zu zeigen.
  • Spöttische Bemerkungen: Sarkasmus oder Ironie können verwendet werden, um versteckt Kritik zu äussern.
  • Andeutungen von Schuldgefühlen: Sie könnten Andeutungen machen, um dich schuldig fühlen zu lassen.

Wenn du denkst, dass jemand passiv-aggressiv ist, ist es hilfreich, offen mit dieser Person zu sprechen. Kläre Missverständnisse und versuche, Konflikte aus dem Weg zu räumen.

Die Evolution der Freundlichkeit

Die Frage nach der evolutionären Entstehung von Freundlichkeit ist von bemerkenswerter Komplexität. Es ist denkbar, dass Freundlichkeit als soziale Bindung entwickelt wurde, um die Überlebenschancen von Gruppen zu erhöhen. Nichtsdestotrotz müssen wir begreifen, dass Freundlichkeit nicht zwangsläufig mit aufrichtigen Intentionen einhergeht.

Umgang mit Übertriebener Freundlichkeit - wenn nett sein nicht nett meint

  1. Hinterfragen und Intuition nutzen: Lerne, deine Intuition zu nutzen und die wahren Absichten von Menschen zu hinterfragen, auch wenn sie auf den ersten Blick nett erscheinen. Lass dich nicht von äusseren Fassaden täuschen.
  2. Grenzen setzen: Erlaube dir, klare Grenzen zu setzen und deine eigenen Bedürfnisse zu achten. Sage "Nein", wenn du es für angemessen hältst, anstatt aus reiner Nettigkeit zuzustimmen.
  3. Beobachte das Verhalten: Achte auf wiederholtes Verhalten über die Zeit hinweg. Menschen, die tatsächlich nett sind, werden dies konsistent zeigen, während Manipulatoren möglicherweise nur vorübergehend nett sind, um ihre Ziele zu erreichen.
  4. Selbstbewusstsein stärken: Arbeite an deinem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Je sicherer du dich selbst fühlst, desto weniger anfällig wirst du für Manipulation durch vermeintlich nette Menschen sein.
  5. Kommunikation fördern: Offene und ehrliche Kommunikation ist der Schlüssel. Wenn du das Gefühl hast, dass jemand passiv-aggressiv ist oder versteckte Absichten hat, sprich die Situation freundlich, aber direkt an, um Missverständnisse zu vermeiden.
  6. Vertrauen schrittweise aufbauen: Lass Beziehungen langsam wachsen und baue Vertrauen schrittweise auf. Gib dir Zeit, die wahre Natur der Menschen zu erkennen, bevor du dich zu stark involvierst.
  7. Selbstreflexion praktizieren: Frage dich selbst, ob du dich selbst manchmal zu nett verhältst und deine eigenen Bedürfnisse vernachlässigst. Selbstreflexion hilft dabei, deine Motive und Verhaltensweisen besser zu verstehen.
  8. Beziehungen diversifizieren: Baue verschiedene Arten von Beziehungen auf, die verschiedene Aspekte deines Lebens abdecken. Dies reduziert die Abhängigkeit von einer einzigen Person und minimiert das Risiko von Ausnutzung.
  9. Ressourcen nutzen: Informiere dich über Manipulation, Narzissmus und passiv-aggressives Verhalten, um die verschiedenen Facetten von Nettigkeit und zwischenmenschlichen Beziehungen besser zu verstehen.
  10. Eigenes Wohl im Blick behalten: Denke daran, dass Selbstfürsorge keine Selbstsucht ist. Dein eigenes Wohl sollte immer eine Priorität sein, um langfristig anderen Menschen auf sinnvolle Weise helfen zu können.

Abschliessend

Nettigkeit ist zweifellos wertvoll, aber sie kann auch trügerisch sein. Indem wir Nettigkeit in Kontrast zu anderen Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Integrität, Aufrichtigkeit, Freundlichkeit, Güte, Mut, Authentizität, Kritikfähigkeit, Unabhängigkeit, dem Setzen von Grenzen, Selbstfürsorge und Standhaftigkeit stellen, erkennen wir die Nuancen menschlicher Interaktion. In einer Welt der Täuschung ist es entscheidend, kritisch zu denken und die Absichten von netten Menschen, besonders von Männern, zu hinterfragen. So schaffen wir echte Beziehungen, die auf Ehrlichkeit, Respekt und wahrem Mitgefühl basieren.

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